Native People’s Caravan

Der «Native People’s Caravan» bezeichnet den Protest aus dem Jahr 1974, der quer durch Kanada zog, bei welchem indigene Aktivisten von Vancouver und andern Orten nach Ottawa reisten, um von Parlamentsmitgliedern Gerechtigkeit für die indigenen Völker zu fordern. Neben der Intention seine Forderungen der Regierung mitzuteilen, zielte der Native People’s Caravan auch darauf ab, die indigenen Völker zu vereinen und das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die von ihnen erlebten Ungerechtigkeiten zu stärken. Seinen Höhepunkt erreichte der Caravan bei einem Protest am Parlament, bei dem die Royal Canadian Mounted Police (RCMP) zu Gewalt griff. Im Anschluss daran besetzten einige an dem Caravan Teilnehmende ein verlassenes Lager und nannten es die «Native People’s Embassy». Das Schließen dieser Botschaft markiert das Ende der Aktivitäten des Caravan.


Kontext: Politisches Handeln der indigenen Völker

Der Native People’s Caravan entstand zu einer Zeit, in der die indigenen Völker in Kanada politisch sehr aktiv waren. Ihr politisches Handeln ist in den 1960er und 1970er Jahren besonders gestiegen. Zwei maßgebliche Ereignisse für den Caravan waren die Blockade in der Cache Creek, British Columbia sowie die bewaffnete Besatzung von «Anicinabe Park» in Kenora, Ontario.

Im Sommer des Jahres 1974 schuf die «Cache Creek Warror Society», welche aus Teilnehmenden an der «Bonaparte First Nation» bestand, eine bewaffnete Blockade an dem Highway 12, die sich durch die «Bonaparte Reserve» erstreckte. Die Aktivisten hielten den Geschäftsverkehr auf der Autobahn auf und entnahmen allen Fahrenden eine 5$ Gebühr. Zudem verlangten sie die Rückgabe des indigenen Landes und die Verbesserung von Wohnbedingungen an der «Reserve».

Im selben Sommer besetzte die «Ojibwe Warrior Society» den «Anicinabe Park», mit der Forderung, dass das Land an die indigenen Völker zurückgegeben werde, sowie, dass die Lebensbedingungen und der Zugang zu Wohnungen verbessert werden. Außerdem verlangten sie zügiges Handeln, was dringende Fragen wie beispielsweise die Quecksilber-Kontamination in Grassy Narows betrifft.

Louis Cameron, der Anführer der Anicinabe Park Besatzung, sowie Chief Ken Basil, Anführer der Cache Creek Blockade, ergaben sich als bedeutende Anführer im Native People’s Caravan. Der Native People’s Caravan erstand als Folge dieser beider Demonstrationen.


Der Native People’s Caravan

Der Native People’s Caravan zielte darauf ab, die indigenen Rechtsbewegungen zu vereinen, auf die Schwierigkeiten, die die indigenen Völker im ganzen Lande erlebten, aufmerksam zu machen sowie die vom Caravan festgelegten Forderungen direkt an die Regierung weiterzuleiten. Diese Forderungen befassten sich mit Fragen zu beispielsweise gebrochenen Verträgen, Bildung, Armut, dem Gesundheitswesen, Wohnungen, den Rechten der Métis, und der Forderung nach dem Ersetzen des Indian Act mit einem Gesetz, das die indigene Selbstbestimmung und Souveränität anerkennt. Der Caravan intendierte, diese Ideen dem Premierminister Pierre Trudeau bei der Eröffnung des dreißigsten kanadischen Parlaments am 30. September 1974 mitzuteilen.

Neben Louis Cameron und Chief Ken Basil wurde der Native People’s Caravan von vielen weiteren indigenen Aktivisten organisiert; unter anderem Vern Harper, Ed Burnstick und Pauline Shirt. Sie baten sowohl indigene als auch nicht-indigene Gruppen um Unterstützung und erhielten eine signifikante Unterstützung vom «American Indian Movement", dem «Canadian Council of Churches» sowie von der «Communist Party of Canada» (Marxistisch-leninistisch) [CPC(ML)]. Ein erheblicher Teil des Caravan bestand aus Teilnehmende dieser Vereinigungen sowie aus indigenen und nicht-indigenen Individuen. Neben der Tatsache, dass es dem Caravan gelang, indigene und nicht-indigene Gruppen einzuschließen, ist bemerkenswert, dass er Indianer alters- und nationenübergreifend zusammenbrachte.

Der Caravan, der aus Aktivisten bestand, die in gemieteten Bussen reisten, verließ Vancouver am 15. September 1974 und reiste dem Trans-Canada Highway entlang nach Ottawa. Er legte Pausen ein, um in Großstädten Kundgebungen zu halten, Geldmittel aufzubringen und die Anzahl seiner Teilnehmenden zu erhöhen. Während seiner Reise vergrößerte sich der Caravan und bestand zum Zeitpunkt des Erreichen Ottawas aus ungefähr 200 Teilnehmenden. Zu ihnen gehörten Individuen aus Gruppen wie der «Regina Warrior Society,» «Ojibway Warrior Society» von Kenora, und «Toronto Warrior Society».

Die Reise des Native People’s Caravan nach Ottawa verlief jedoch nicht glatt; beispielsweise erlebten die Teilnehmenden Polizeigewalt. Im Caravan selbst galten interne Konflikte der Frage der Führung, der Uneinigkeiten über das Vorgehen, den Geschäften, die mit der RCMP geschlossen wurden, sowie der Rolle des CPC(ML). Zu einer Spaltung der Führung kam es schließlich in Kenora.


Protest am Parliament Hill

Am 30. September 1974 versammelten sich die ca. 200 am Caravan Teilnehmenden am Parliament Hill und schlossen sich den ca. 300 weiteren Anhängern an. Obwohl sie unbewaffnet waren, begegnete die RCMP ihnen mit Barrikaden und Polizeisondereinheiten vor den Treppen zum Parlament. Als einige Demonstrierende versuchten durch die Polizeibarrikaden zum Eingang des Parlaments zu gelangen, brach ein Gefecht mit der RCMP aus, bei dem im Anschluss einige verhaftet wurden. Durch die Wiederherstellung der Barrikaden durch die RCMP ließ das Gefecht schließlich nach.

Die Demonstrierenden forderten ein Treffen mit dem Premierminister Pierre Trudeau oder dem Minister für «Indian Affairs", Judd Buchanan, und legten eine Frist für ein solches Treffen fest. Aber entgegen ihrer Erwartungen traf sich kein einziges Parlamentsmitglied mit ihnen. Während sie also draußen warteten und ihre Reden und Rufe fortfuhren, begannen auch schon die Zeremonien für die Eröffnung des Parlaments. Die Frustration und Wut der Demonstrierenden wuchs, und sie versuchten ein letztes Mal das House of Commons zu erreichen. Dies führte zu einem weiteren Zusammenstoß mit der RCMP, das auch schließlich abebbte.

Daraufhin griff die RCMP riot police, die mit Schlagstöcken, Tränengas und Schutzschildern ausgestattet waren, die Demonstrierenden an, sodass ein Aufruhr ausbrach. Die Demonstrierenden wurden zwanghaft vom Parliament Hill beseitigt, und der RCMP nahm mehr als zwanzig Verhaftungen vor. Es wurde zwar niemand stark verletzt, aber bei beiden Seiten, also sowohl bei den Demonstrierenden als auch bei den Polizisten, kam es zu Verletzungen.


Native People’s Embassy

Nach dem Protest am Parliament Hill besetzten einige am Caravan Teilnehmende ein verlassenes Lager in der Victoria Island am Ottawa River und nannten es die «Native People’s Embassy». Die Botschaft wurde als langsfristiges Projekt betrachtet, welches darauf abzielte, Allianzen mit anderen marginalisierten Gruppen zu bilden, inklusive indigene Gruppen sowie Gruppen im Globalen Süden. Obwohl die Botschaft zunächst gut organisiert war, war sie konfrontiert mit sich verschlechternden Wohnbedingungen, Konflikten zwischen Gruppen sowie eine beständige Überwachung durch die RCMP. Nach fünf Monaten, also im Anfang des Jahres 1975, wurde die Botschaft aufgelöst.

Obwohl Repräsentanten des Staates sich weigerten, sich mit dem Native People’s Caravan zu treffen, und dessen Forderungen nicht erfüllt wurden, bewirkte er eine erhöhte Aufmerksamkeit der Medien und ein gestiegenes Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Herausforderungen der indigenen Völker. Eine weitere Folge war, dass der Minister für Indian Affairs, Judd Buchanan, der sich durch die Ereignisse am Parliamemt Hill entpuppt und blamiert hatte, begann, sich mit der Führung der indigenen Organisationen zu treffen. Dem Caravan wird zugesprochen, die Grundlage für zukünftige indigene politische Bewegungen geschaffen zu haben.

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